Walter Hoydysh hat Filmaufnahmen kopiert, die sein Vater 1938 in der Ukraine und in den fünfziger Jahren in New York gemacht hat, damals, als Filmen noch wirklich Avantgarde war. Walters Vater hat in den dreißiger Jahren in Paris gelebt. Im ersten Weltkrieg sei er im übrigen in der österreich-ungarischen Kavallerie geritten. Er hat seine Heimat in der östlichen Ukraine bei einem Besuch 1938 gefilmt. Andere Filmaufnahmen stammen aus den fünfziger Jahren, als die Familie nach New York immigriert war. Das Kriegsende haben viele ukrainische Familien in Berlin erlebt, wohin sie vor der sowjetischen Armee geflüchtet sind. Um nach New York immigrieren zu können, brauchte man einen Fürsprecher in der Stadt, jemanden, der die Listen mit den Namen derer las, die gern zuwandern wollten und versprach, in den ersten Wochen für die Zugewanderten zu sorgen. Damals hätten sich oft die alten Hierarchien umgekehrt: Diejenigen, die arm waren und die Ukraine Jahre früher aus Armut verlassen hatten, waren nun etabliert und konnten die Neuen aufnehmen, die nach dem zweiten Weltkrieg kamen und in der Ukraine die Elite und die Besitzenden gewesen waren. Walters Familie wurde von einer früheren Bediensteten seiner Großeltern aufgenommen.
Walter sagt, er hat die „moderne Ukraine“ bisher nicht besuchen wollen, um sich das Land seiner Erinnerung und Vorstellung zu erhalten.
 
Von Justyn bekomme ich ein schönes und wehmütiges Lied. Ukrainer in der Diaspora singen dieses Lied zu ihren Beerdigungen. Walter, Justyn und ich sitzen am großen dunklen Tisch im Ukrainischen Institut. Ihnen fiele auf, dass ihr Bild des Landes von der Vergangenheit geprägt sei, sagen sie. Wir werden alle drei etwas melancholisch.
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